top of page

Horsemanship Naturell  im Tierpark Odenkirchen

5. Februar 2018 | 00.00 Uhr

Tierpark Odenkirchen

Wie Ranchman Yeti die Wildpferde zähmt

 

Ranchman Yeti heißt eigentlich Bernd Seibold und ist Experte darin, Pferde auszubilden.FOTO: Detlef Ilgner

Mönchengladbach. Die Pferde im Tierpark Odenkirchen ließen sich nicht anfassen, keinen Tierarzt oder Hufschmied an sich heran - bis der Pferdeexperte kam. Von Inge Schnettler

Was genau passiert ist, weiß hinterher niemand zu sagen. Ob es ein Luftstoß war oder ein knatterndes Geräusch? Auf jeden Fall rastet Omi völlig aus. Sie rennt los, legt am Ende des Geheges eine Vollbremsung hin, dreht sich und galoppiert in Höchstgeschwindigkeit in die andere Richtung. Ihre Augen sind weit aufgerissen, die Ohren nach hinten gelegt. Und dann reißt sich auch noch ihr Sohn los - und macht es ihr gleich.

Das Shetlandpony Flocke bleibt gelassen stehen, es ist gewöhnt an die Eskapaden der beiden Wildpferde. Auch Ranchman Yeti ist die Ruhe selbst. In dieser reichlich turbulenten Situation zeigt er seine ganze Erfahrung. Wie ein Fels in der Brandung steht er hochaufgerichtet mitten auf dem Platz - die Wildpferde beruhigen sich. Und lassen sich willig am Gatter anbinden.

​

Ranchman Yeti heißt eigentlich Bernd Seibold. Er verbringt einige Tage im Odenkirchener Tierpark um die Omi und ihren Sohn, der von allen im Tierpark Dicker oder Großer genannt wird, zu zähmen. Die Tarpan-Stute hat mindestens 25 Jahre auf dem Buckel, ihr Sohn wird auf 15 Jahre geschätzt. Tiergarten-Leiterin Katrin Ernst hat den Pferdeflüsterer beim Wanderreiten kennengelernt. Das bietet der Ranchman an der Ehrenburg an. "Ich habe ihn gefragt, ob er uns mit unseren Tarpan-Pferden helfen kann", sagt sie. Und nun ist er da.

"Ich bilde Pferde und Menschen aus", sagt er. Schon nach wenigen Tagen hat er es geschafft, dass die Omi sich anfassen lässt. "Der Dicke ist wesentlich entspannter als seine Mutter." Tatsächlich bietet der Wallach bereitwillig seine Hufe, lässt sich mit dem Stethoskop abhören und einen Verband anlegen. Das muss Omi noch lernen. Denn das ist das Ziel. "Wir wollen erreichen, dass die beiden den Zahnarzt ins Maul schauen lassen, dass der Hufschmied an sie rankommt und der Tierarzt sie abhorchen und behandeln kann", sagt der Ranchman. Bisher mussten beide Pferde selbst für die Zahnreinigung sediert werden. Dass das für die Tiere nicht gut sein kann, leuchtet ein.

Ranchman Yeti setzt seine Arbeit mit der Omi fort. "Je ruhiger ich bin, desto ruhiger sind die Pferde", sagt er. Durch sanftes Locken erregt er die Aufmerksamkeit der alten Dame. Der Kontakt ist hergestellt - und Yeti belohnt die Stute, indem er ihr eine Pause gönnt. Omi entspannt sich. "Ich lasse einfach locker und nehme den Druck weg, das reicht. Leckerli sind gar nicht nötig." Der Pferdekenner hat orangefarbene Planen auf dem Boden ausgelegt, eine grüne Plane hängt über dem Zaun, sie bewegt sich im Wind und macht Geräusche. "Daran müssen sich die Pferde gewöhnen", sagt er und führt die alte Stute hinüber zu den Planen. Ganz geheuer ist ihr das nicht, aber sie scheint dem großen Mann an ihrer Seite zu vertrauen. Der lobt sie und gönnt ihr wieder eine Pause.

Ranchman Yeti wendet sich noch einmal dem Dicken zu. Er horcht seinen Bauch ab, hebt die Hufe, einen nach dem anderen, und dann legt er dem Wallach einen Verband an. Der lässt sich das prima gefallen. "Mit ihm sind wir schon sehr weit, die Omi muss noch viel lernen, da sind wir erst am Anfang." Katrin Ernst weiß nicht, was die beiden Tiere so ängstlich gemacht hat. "Sie sind vor vielen Jahren aus dem Duisburger Zoo gekommen", sagt sie. "Uns ist nicht bekannt, wo sie vorher waren." Im Odenkirchener Tierpark sollen sie ihren Lebensabend genießen.

Der Ranchman beendet vorläufig die Arbeit mit den Pferden. "Es ist besser, zwei- bis dreimal am Tag kurze Einheiten zu machen, als die Pferde mit zu langen Übungen zu überanstrengen." Er trainiert immer nur so lange, wie die Augen und Ohren wach und sie ruhig sind, wie er sagt. Omi hat sich dem Futtersack zugewandt, sie belohnt sich selbst mit einer Portion Heu. Der Dicke verschwindet im Stall, im Gehege kehrt Ruhe ein.

Quelle: RP

Mit dem Pferdeflüsterer im Tierpark Odenkirchen

Im Gehege flattern noch einzelne Fahnen Absperrband im kalten Januarwind, ein roter Ball liegt unbeachtet herum. Ranchman Yeti vollzieht hier im Tierpark Odenkirchen mit der kleinen Herde aus zwei Tarpanen (Heckpferden) und einem Shetlandpony seit circa zwei Wochen ein Anti-Panik- und Medical Training.

Die Stute Ommi (25), ihr Sohn (12) ohne Namen und die Shetland-Stute (14) Flocke ließen sich bisher nicht berühren und mussten bei Arztbesuchen jedes Mal narkotisiert werden. Yetis Arbeit zeigt Erfolge: „Ich war im November bereits zur Begutachtung und erstem Training hier. Die Pferde hatten sehr viel Stress, und vor allem Ommi ist ein richtiges Nervenbündel, obwohl sie alle drei in körperlich ausgezeichneter Verfassung sind.“

Pferde sind Fluchttiere, und so stattete er das Gehege und die Boxen erst einmal mit Planen, Flaschen, Tüten aus, – mit allem, was die Pferde in der Natur und im Gelände erleben und sie erschrecken könnte, um ihnen zu zeigen, dass die vermeintlichen Schrecken am Ende keine sind. Um die Fluchtreflexe nach und nach zu minimieren, lässt er den Pferden Zeit, nachzudenken und auf das Schreckhindernis zuzugehen, es vielleicht sogar selbst zu jagen oder zu bewegen. Es geht darum, das Befinden auch in Stresssituationen in den grünen Bereich zu bringen und dort auszuweiten. Dann kann man mit dem ersten Hallo beginnen, mit Berührungen, mit einem Halfter, einem Führstrick.

Er unterteilt große Aufgaben erst einmal in viele kleine Teilaufgaben; sobald das Pferd eine der Teilaufgaben löst oder einen Schritt in die richtige Richtung macht, wird es ausgiebig gelobt und darf eine kleine Pause machen, so dass es nach und nach begreifen kann, was der Mensch eigentlich will.„Ein Pferd muss sich jederzeit überall berühren lassen, auch mit einem Fieberthermometer in den Po.“ Dann kommt Yeti mit Stethoskop und Verband in der Hand und führt am namenlosen Sohn vor, wie gut das Training bei ihm bereits angeschlagen hat. „Und wenn es ein Problem gibt, dann hol ich mir die Aufmerksamkeit, bis das Pferd wieder ruhig ist oder suche einen Punkt, einen Pfosten und fixiere ihn.“

Auf der Runde mit Ommi durch den Tierpark, vorbei an den Robben, die neugierig ihre Nasen aus dem Wasser recken, den Begrüßungsrufen der Esel und der Erwiderung, den kreischenden Affen, den glotzenden Waliser Schwarzhalsziegen und Zuckerrüben mampfenden Zwergziegen, demonstriert Yeti, wie Natural Horsemanship in der Praxis funktioniert; Führungsvermögen, Kommunikation, Vertrauen, Respekt, Höflichkeit, Achtsamkeit, gegenseitiges Zuhören, Körpersprache. Pferde sind Muskelleser und Körpersprache-Entschlüssel-Experten. Deswegen muss man bei sich und bei dem, was man tut, sein. Yeti beugt sich etwas vor und atmet tief aus. „Wenn ich abschnaube, dann zeige ich ihr, dass ich ruhig bin und alles gut ist und sie beruhigt sich.“

Dem Shetlandpony Flocke sind solche Situationen schon vertrauter. Die achtjährige Iva legt das Stethoskop an den Bauch der Stute, stutzt, hält es sich an die Brust: „Bei mir macht es bummbumm, bei ihr knistert es nur.“ Sie kontrolliert nochmal: auch bummbumm. Doch alles in Ordnung. Und dann übernimmt Iva den täglichen Gang mit Flocke, diesmal nur im Gehege. „Am Anfang war sie nicht zu halten, war aufmüpfig. Sie kannte das nicht. Jetzt geht sie 1A an der Leine“, sagt Yeti.
„Als erstes musst du wissen, was Du willst, wann Du es willst und wohin Du willst. Und dann halte Dich an Dein Ziel.“ Fair, freundlich, bestimmt! Das sind die drei Grundregeln, die Yeti Iva mit auf den Weg gibt. „Jetzt denkst Du in die Richtung, in die Du gehen willst und dann gehst Du in diese Richtung.“ Und dann führt sie – sichtlich stolz – das Pony an der Leine, doch Flocke prüft, wer hier der Boss ist. Ein bisschen führt sie dann Iva an der Leine, und so geht das ein paar Momente, bis Yeti helfend eingreift. „Jedes Pferd testet aus, ob du es führen kannst.“ Aber das macht Iva gar nichts aus; als Strick und Halfter schon wieder gelöst sind und Flocke zurück an ihrem Baum „klebt“, quatscht Iva ihr noch etwas ins Ohr. Und ich weiß nicht, was oder wie sie es gemacht hat, aber Flocke trottet ihr hinterher.

Ranchman Yeti bietet regelmäßig Wanderreiten und Natural Horseman Einführungskurse an. Infos und Anmeldungen unter www.grenzenlos-wanderreiten.de. Auf ww.facebook.com/ranchmanyeti bekommt man einen Einblick in die Arbeit als Horseman.

  • BU: guru_tuts_03_18_1_2018-01-29 Tierpark Odenkirchen (c) maris rietrums (96):

  • Ranchman Yeti.

  • guru_tuts_03_18_2_2018-01-29 Tierpark Odenkirchen (c) maris rietrums (71):

  • Iva mit Stethoskop.

  • guru_tuts_03_18_5_2018-01-29 Tierpark Odenkirchen (c) maris rietrums (86):

  • Führungsvermögen, Kommunikation, Vertrauen: dann lassen die Pferde ihn auch ran.

​

bottom of page